Ausstellung:Die Farben des Lockdowns

Künstlerin Yo Franklin

Yo Franklins Ausstellung "Post Tenebras Lux" ist noch bis 2. November im Oberhachinger Rathaus zu sehen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Yo Franklin zeigt in Oberhaching Bilder voller Optimismus, die während der Pandemie entstanden

Von Franziska Gerlach, Oberhaching

Yo Franklin mag Zitate und Bonmots. Nicht nur die von anderen, auch sie selbst versteht es, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Das Gespräch jedenfalls ist noch keine Minute alt, da sagt die Künstlerin: "Je bunter, desto Lockdown." Und tatsächlich ist hier, im Foyer des Oberhachinger Rathauses, wo eine Ausstellung gerade vornehmlich während des Lockdowns entstandene Bilder der Oberhachingerin zeigt, ganz viel Farbe. Zartes Blau und knalliges Neonpink, frisches Grün, leidenschaftliches Rot und sanftes Gelb verströmen Franklins abstrakte Arbeiten. Und mit diesen Farben transportieren ihre Bilder auch die Zuversicht, dass die düsteren Tage der Pandemie vergangen sind. Dass Licht und Leichtigkeit nun wieder möglich sind.

Überschrieben ist die Ausstellung (bis 2. November) mit der lateinischen Redewendung "Post Tenebras Lux", was übersetzt "Nach der Dunkelheit kommt das Licht" bedeutet, und im Übrigen, erläutert die 58 Jahre alte Künstlerin, das Motto der Calvinisten gewesen sei - und noch immer der Leitspruch Genfs, der Wahlheimat des Theologen Johannes Calvin. Licht und Dunkel als zwei Gegenspieler, die sich auch in der Kunst gegenseitig bedingen; bereits die Renaissance lehrte die Menschen, dass auf Krankheit - genauer: die verheerenden Pestjahre 1348/49 - eine Blüte in der Kunst folgen kann, auch wenn dies im Rückgriff auf die Antike geschah. Allerdings wirkt Franklin nicht wie eine, die sich in den tristen Tagen des Lockdowns Frust und Einsamkeit von der Seele malen musste. Groß und selbstsicher steht sie im Foyer des Rathauses, inmitten ihrer farbgewaltigen Bilder, erzählt von ihren vier Kindern, ihrer Liebe zur Malerei, von ihrem Kunstprofessor in Goslar, Jobst Rothmann, den sie über die Maßen geschätzt habe. Später kommt noch ein Studium der Innenarchitektur und eines der Kunsttherapie in München hinzu, das sie aber nicht beendet. Vor 25 Jahren stellte Franklin erstmals in einer Münchner Bank aus. Heute ist sie in Galerien in Singapur, Luxemburg und Hongkong vertreten, in Los Angeles, Belgien, Köln und Innsbruck waren ihre Arbeiten schon zu sehen.

Die Idee zur Ausstellung in Oberhaching hatte Franklin schon vor Corona, auch stilistisch hat die Erfahrung des Lockdowns ihre Kunst nicht verändert, allenfalls die Neonfarben seien ein wenig mehr geworden, erzählt die Künstlerin, die seit 2019 auch den Kunstsupermarkt München leitet, einen Pop-up-Store in der Münchner Innenstadt. In der Abgeschiedenheit der Corona-Monate fand Franklin allerdings "ein Stück Freiheit", wie sie sagt. Die Freiheit, sich dem Termindruck der Veranstaltungen entziehen zu können, sich ganz auf die Materialien zu konzentrieren, die sie im Übrigen auch mischt. Nur sie und die Acrylfarbe, nur sie und die Kreide, nur sie und das Öl, manchmal kommt noch Blattgold hinzu oder Harz, der das Bild mit einer glänzenden Schicht überzieht.

Wer an einem tristen Herbsttag durch die Ausstellung schlendert, sich treiben lässt im Meer der Farben, der muss anerkennend feststellen, dass das Virus im Fall von Franklin zu beachtlicher Produktivität geführt hat. Im ausgewogenen Spiel der Lichteffekte ist oft ein unverwüstlicher Optimismus spürbar, als klopfte einem ein alter Freund auf die Schulter: Nur zu, Spaß haben ist wieder erlaubt! Die Party, die sich Leben nennt, darf endlich weitergehen.

Unter den zumeist großformatigen, abstrakten Bildern befinden sich auch zwei realistische Werke, und deren Ernsthaftigkeit lässt erahnen, dass die Künstlerin durchaus weiß, wie sich dunkle Tagen anfühlen: Die Kugel des Künstlers Olafur Eliasson aus dem Viscardi-Hof der Münchner Einkaufspassage "Fünf Höfe", deren Stahlbänder dem Betrachter die Sicht versperren und ihn so noch einmal die Begrenztheit des Lockdowns spüren lassen, sowie eine Schachtel Toffifee, in der zwei Pralinen fehlen. In der goldenen Verpackung ist eine Kuhle zurückgeblieben, auch sie glänzt. Mehr als 150 Stunden arbeitete Franklin, die Leinwände für mehr Tiefe gerne dunkel grundiert, an dem Bild, das vor allem wegen der Lichteffekte aufwendig war.

Doch Licht ist bei der Oberhachingerin eben überall: In "Sicily in Celebration" flirrt noch immer die Sonne jenes Augusttages, den sie auf Sizilien verbrachte, das satte Grün von "Lustwandeln im Grünen" ist der Landschaft um Neubrandenburg nachempfunden, und in dem Bild "Party to go" scheint Aufbruchstimmung zu herrschen, als formierte sich aus dem Abstrakten - aus Rosa, Blau, Gelb und Grün - gleich eine Horde aufgeregter Teenager. Franklins Blick auf die Menschen ist wohlwollend, aus ihren Kompositionen spricht jene Offenheit, die echte Begegnungen ermöglicht. Und die Zitate? Mit gleichmäßiger Handschrift beschrieben hängt mal hier ein Zettel neben den Werken, mal dort. Valentin und Morgenstern kommen zu Wort, auch eine Zeile aus einem Lied des Singer-Songwriters Jason Mraz ist zu lesen. Von Glück, Liebe und der Kunst handeln die Sätze, in einem Fall kommt das Dasein als Kreativer aber nicht ganz so blendend weg. "Die Knechtschaft der Ideen", lautet es. Das stamme von ihr, sagt Franklin. Manchmal müsse sie eben aufpassen, sich nicht zu verzetteln.

© SZ vom 08.10.2021